Text Harry Bannöhr, alle Fotos Mark Kant, bodylightpainting.de
YES in Berlin – 27.05.2014 Admiralspalast
Very british – der Wirt – Aragorn – Cinemascope und Rechtsträger!
Das ich den Altersdurchschnitt einer Veranstaltung nach unten bewegen würde, hatte ich eigentlich nicht mehr für möglich gehalten. Es sei der Tatsache geschuldet, dass ich erst zarte elf Jahre alt war, als ich das Album „Going For The One“ zum ersten mal hörte und selbiges zu einer Art musikalischen Früherziehung für mich werden sollte. Andere der Zuschauer im Admiralspalast hatten diese Erfahrung wohl etwas reifer als meiner Einer gemacht.
Eben genau dieses Album und noch zwei weitere – „Close To The Edge“ und „The Yes Album“ – standen im Mittelpunkt des Konzertes und sollten in Gänze dargeboten werden. Das erfordert ein wenig Sitzfleisch, zeigt aber auch, wie kurzweilig Progrock sein kann, wenn man neben der ganzen Virtuosität, das Songwriting nicht vergisst. Die Werke müssen nicht besprochen werden, also beschränke ich mich auf die Personen, die sich auf der Bühne versammelt hatten.
Steve Howe, eine wunderbare Mischung aus britischen Understatement und höchster Musikalität! Wenn er „The Clap“ spielt, klingt es so frisch wie 1971 und immer wieder schaut er dabei in die verwunderten Gesichter der Zuschauer, als ob er meinen würde: Seht her, ich kann es immer noch! Da hat er recht, und wie! Geoff Downes gibt den Pub-Wirt an der Tastenburg. Ich gebe offen zu, dass mir Rick Wakeman an seiner Statt besser gefallen hätte. Warum der Wirt? Nun, zum einen spielt er solide und alles am richtigen Ort, nur ab und zu geht es mit ihm etwas durch, so als ob der Wirt das Bier zu flott eingießt oder der Drink etwas stärker als geplant wird. Bin ich böse, wenn ich schreibe, dass Alan White langsam so breit wie seine Bassdrum ist? Auf seinem Posten hält er den Laden zusammen, auch wenn man das Gefühl hat, so viel musikalische Erfahrung auf der Bühne zu spüren, dass das gar nicht notwendig ist. Ein wenig ist ihm das rockige verloren gegangen, aber ich liebe sein unaufgeregtes und trotzdem kraftvolles Spiel sehr. Auch hier könnte man von understatement sprechen, im besten Sinne!
Lieber Chris Squire! Du bist und bleibst einer der wenigen Bassisten auf diesem Erdball, von dem man wahrhaft ein Solo hören möchte. Das Zücken des dreihalsigen Bass-Gitarren-Boliden bei „Awaken“ war ein absolutes Highlight und gehört zu einem Progrock Konzert wie Headbangen zum Metal. Und nun wissen wir auch, dass Du Rechtsträger bist. Jon Davison teilt sich nicht nur den Vornamen mit seinem Vorgänger, bewegt sich ähnlich und trägt Schlaghosen wie in den 70ern, sondern sieht auch noch aus wie Viggo Mortensen – der Aragorn, der auch mal sein sängerisches Talent zeigen möchte. Er macht neben den optischen Besonderheiten, einen sehr guten Job. Sicherlich ist das Einspringen für Jon Anderson, vor allem bei diesem Material, dass er so sehr stimmlich geprägt hat, nicht das Einfachste. Davison kopiert nicht, sondern zeigt Charakter. Vielleicht nicht zur Befriedigung für die Hardliner unter den Fans aber so lieber als eine schlechte Kopie und die hat man schnell. Respekt!
Alles in allem wurde mir erst nach einer Viertelstunde, und somit fast gegen Ende vom Titelstück von „Close To The Edge“ bewußt, wer sich da auf der Bühne versammelt hatte und mit jeder weiteren Minute wurde der Spaß größer, die „alten“ Herren zu sehen und zu merken wie gut ich die Platten, jedes Break kenne und jedes Solo mitpfeifen kann. Ein sehr privater Abend voller Erinnerungen an die Kindheit und meine musikalische Jugend. Danke den Herren dafür und was hätte den Abend noch verschönern können? Okay, wenn Steven Wilson neben mir gesessen hätte. Wir teilen uns nämlich das Geburtsjahr und die Liebe zu dieser Band und hätten sicherlich viel Gesprächsstoff nach dem Konzert gehabt.