Text: Holger
Fotos: Jens (Rock City Radio Show)/Holger
Als in den 70er Jahren Deep Purple mit dem Royal Philharmonic Orchestra in der ehrwürdigen Royal Albert Hall zum ersten mal Rock Musik mit Klassischem Orchester aufführten, waren die Fans wie vor den Kopf geschlagen. Jon Lord hatte dabei großen Einfluss auf die Entscheidung und für Ian Gillan war so die Möglichkeit gegeben, seine außergewöhnliche Stimme in ein anderes Licht zu rücken. Wie konnten die damals nur, dachten sich fast alle Fans, die Band setzte damit aber einen Meilenstein in der Musikgeschichte und fand im laufe der Jahrzehnte einige würdige Nachfolger.
Das die Scorpions ebenso Lange im Geschäft sind, und nicht minder Erfolgreich wie Deep Purple, ist allgemein bekannt und wird durch die ausverkaufte Farewell Tour eindeutig belegt.
Als sie sich vor fast zwanzig Jahren entschlossen ebenfalls der Klassik zu widmen, wurden sie so wie damals Deep Purple zuerst belächelt, zeigten aber das man Rock mit einem Orchester durchaus kombinieren kann und die ganze Sache sogar sehr Druckvoll auf der Bühne präsentiert werden kann. Saßen damals die Musiker von Deep Purple verstreut unter den klassischen Instrumentalisten, so stehen die Herren Schenker, Meine und Jabs dabei nach wie vor an der Bühnenkannte und sind genau so Energie geladen wie bei ihren normalen Konzerten. Meine, wie immer stets bemüht sein Publikum zum mitsingen zu animieren, stößt aber leider jedes Mal beim Classic Open Air an seine Entertainergrenzen. Der Funke will bei den verhaltenen Zuschauern einfach nicht überspringen. Natürlich sind unter den 5000 Menschen am Berliner Gendarmenmarkt auch sehr viele Scorpions Hard Core Fans, und nicht wenige davon aus dem Ausland, aber deren Tatendrang wird zum Einen durch die Bestuhlung und zum Anderen durch die Ordner stark eingeengt. Die anderen 80 % der Zuschauer gehören der Kategorie an „wir gehen mal zu einem Klassik Konzert des Filmorchester Babelsberg, und zufällig spielen da auch die Scorpions mit“. Textsicherheit beim Mitsingen der Refrains sieht da aber etwas anders aus.
Einen bedeutenden Anteil an der allgemeinen Zurückhaltung schieben wir mal auf das Ambiente zwischen Deutschen und Französischem Dom. Kommt man sich doch vor als wenn man eine Opernaufführung betritt. Ich gebe zu, ich kam mir zuerst etwas Underdressed vor, bin ich doch mit dem Motorrad vorgefahren und war in eine Lederjacke gehüllt. Als mir dann aber Rudolf Schenker zum Interview entgegentrat, war meine Befürchtung schnell verflogen, denn er sah nicht viel anders aus als ich.
Weiße Zelte säumen die Zugänge, es wird Sekt aus vollen Kübeln geschlürft und die Sponsoren präsentieren sich in voller Blüte. Kuckt man sich nebenbei noch die Eintrittspreise an und wirft einen Blick über die Galerie der VIPs, so merkt der Besucher sofort das hier in der Champions League gespielt wird. Dieses gediegene Äußere färbt natürlich auf die Menge ab, und da ist dann eben gepflegte Zurückhaltung angesagt.
Dieser Meinung schien auch Herr Schenker gewesen zu sein, denn nach getaner Interviewarbeit machte er ein paar Zungenschnalzer und forderte uns auf ihm an einen ordinären Bierstand zu folgen. Mit den Worten „Hab ich jetzt vom quatschen einen trockenen Hals, los kommt Jungs, ich geb euch einen aus“. Superstars sind eben auch nur Menschen.
Mit etwas Verspätung begann dann endlich der musikalische Teil, nachdem vom Organisator des Classic Open Air etliche Danksagungen an die Sponsoren und VIPs ausgeschüttet wurden. Das Orchester saß weit im Hintergrund, die Bühne war im vorderen Bereich riesig breit und leer und über alldem thronte Drummer James Kottack hinter Panzerglasscheiben um den Instrumentalisten unter ihm nicht die Köpfe wegzutrommeln. Der sonst durch seine vielen Showeinlagen beliebte James hielt sich am Gendarmenmarkt extrem zurück, gerade beim letzten Stück spielte er schon mal im stehen und ließ sich hinter seiner Schießbude sehen. Das zu wenig geprobt wurde zeigte sich im ersten Block, in dem es viele Abstimmungsprobleme zwischen Band und Orchester gab und ein Stück sogar abgebrochen und neu angefangen werden musste. Aber souverän hatte Klaus Meine alles im Griff und gab erneut den Takt an und schon lief es wieder. Balladen und mehr die ruhigen Stücke waren an diesem Abend angesagt. So konnte sich das Orchester voll einbringen und einen gediegenen Teppich für Jabs und Schenkers Gitarren legen. Zeitweise war der Teppich allerdings so dick, das die Gitarren darin völlig verschwanden. Die Band war einfach zu schlecht ausgesteuert und kam viel zu leise rüber. Dadurch fehlte der Druck, der sonst das Publikum zum mitreißen bringt und als nach 60 Minuten und aufflackernden Begeisterungsfunken eine Pause von einer halben Stunde eingelegt wurde, war jegliche Stimmung sofort im Keim erstickt.
Natürlich nutze die Menge, wie vom Veranstalter gewünscht, die Pause um noch ein Sektchen zu schlürfen und Bretzeln zu knabbern und dann nach 30 Minuten, wie im Theater durch einen Gong plus Ansage aufgefordert zu werden doch bitte ihre Plätze einzunehmen. Die inzwischen einsetzende Dunkelheit tat ihr übriges und nun hielt es die Menge bei den Songs nur noch selten auf den Stühlen. Endlich kam die gewünschte Stimmung auf die natürlich durch die bekannten Gassenhauer wie „Wind Of Change“ angefächert wurde. Gegen Ende wurde der „Battle Of The Giants“ zelebriert, bei dem Schenker und Jabs gegen das Orchester antreten und sich gegenseitig die Bälle zuschieben und sich dabei über zwanzig Minuten hochschaukeln und in „Rock You Like A Hurrican“ mit Feuerwerksuntermalung einen gelungenen Ausklang finden. Der erhoffte Zugabenblock viel völlig aus und leider sichtlich enttäuscht verließen die Gäste den Gendarmenmarkt. Ein Konzert der Scorpions kommt eben nur ohne klassische Untermalung richtig gut und die Fans sollten sich besser noch die Möglichkeit einräumen eines ihrer letzten Konzerte zu besuchen. Denn danach ist definitiv Schluss mit der größten Rockband Deutschlands.