Bluesrock Tegelen: Blues geht durch den Magen

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The Handsome FellowsEs war wie bei all unseren Besuchen in Tegelen in Sachen Blues und Rock, erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Zuerst arbeitete das Auto, und zwar auf den Autobahnen 3, 40 und 73, danach der Magen. Der bekam Arbeit durch Satespieße mit Erdnusssoße und Pommes Mayo, in der Frituur auf dem Parkplatz vor dem Openlucht Theater. In diesem Freiluft Theater fand  das 29. Bluesrock Festival Tegelen statt. Und dort vergnügten sich im besten Sinne unsere Sinne. Die erste halbe Stunde des Festivals gehört traditionell einer Band aus der niederländischen Provinz Limburg, diesmal waren  es die Handsome Fellows. In der Schnittmenge Fabulous Thunderbirds / ZZ Top und Dr.Feelgood lag ihre Darbietung. Fetzig, druckvoll, gekonnt, klasse, ein sehr gelungener Auftakt, 12 Points from Germany.

Über The Mighty Ya-Ya berichtet Michael:

Mighty Ya Ya
Mighty Ya Ya

Der Tag in Tegelen verbarg einige Perlen vor mir, zumindest vor dem Event. The Mighty Yaya waren mit Sicherheit so eine Perle. Ich erinnere mich an ein Zitat von Volker zu Five Horse Johnsson. Über die sagt er, es sei die rockigste Bluesband und die bluesigste Rockband zugleich. Und genau aus diesem Holz sind The Mighty Ya Ya´s geschnitzt. In der Vergangenheit trat die Band übrigens unter dem Namen ihres Gitarristen Little Louis auf, entschied sich aber aus mir nicht weiter bekannten Gründen, den Bandnamen entsprechend zu wechseln. Die Musik ist aber die gleiche, mitreißende vorwärtstreibende Nummern aus dem Spannungsfeld zwischen Blues und Rock, geprägt durch einen klassisch aufgestellten, mit Schmalzlocke präparierten Gitarrenmann und einem fetzigen Harpspieler. Die kompakten Songs sorgten beim geneigten Publikum schon zu früher Stunde für klassisches Tegelen-Feeling, ganz besonders sind mir Slipping Away und Trouble Soon Be Over im Gedächtnis verblieben, allesamt versammelt auf der neuen CD, die dann auch prompt Einlass in meine persönliche Sammlung fanden. Ein sehr schönes Konzert, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte, 12 Points from Germany.

Ganashake
Ganashake

Von 15 Uhr 10 bis 16 Uhr 10 präsentierten The Ganashake ihr Repertoire. Die Zuschauer, zumeist aus BeDeNeLux, feierten die Truppe aus Belgien auf allen Positionen. Gitarrist Jess Jacob, Sander Goethals am Bass und Schlagzeuger Bert Minnaert fetzten mit ihrem hochprozentigen Gemisch aus Blues, Rock und einer Prise Soul über die Bühne. Sie interpretierten den rockigen Blues jung, voller Energie, druckvoll, laut und immer auf die Zwölf. Seit 2009 existiert diese Band und spielt für meine Begriffe in Europa in vorderster Reihe mit. Nicht nur ihre Interpretation des Hound Dog Taylor Klassikers Gimme Back My Wig sorgte für Tanzeinlagen begeisterter Festivalbesucher vor der Bühne, auch ihre eigenen Stücke ließen unsere Knie schlottern., ebenfalls 12 Points from Germany.

Nach diesem famosen Bluesrock Entertainment fand für mich durch die Band Of Friends der  emotionale Höhepunkt dieses Festivals statt. Aber wie ich im Verlauf des 75- minütigen Auftritts der drei Freunde feststellte, gab es die Emotionen nicht nur auf meiner Seite. Rundherum tobten und feierten mit mir hunderte von Rory Gallagher Fans die Musik des leider vor 17 Jahren verstorbenen, irischen Gitarrenhelden. Zwei seiner zeitweiligen Begleiter bildeten die Rhythmustruppe, Gerry McAvoy am Bass und Schlagzeuger Ted McKenna. Gerry begleitete Rory von 1971 bis 1991 und Ted von 1977 bis 1981. In der Ted Zeit wurde der Ton in der Rory Gallagher Band wesentlich rauer und härter. McKenna konnte, durch seine langjährige Hardrockphase bei der Sensational Alex Harvey Band, hart und vehement auf sein Equipment einschlagen. Das wollte Rory damals so, einen härteren Sound in der Band. Zurück zum hier und jetzt: Der niederländische Gitarrist Marcel Scherpenzeel ist der dritte im Bunde und begleitete die beiden bei unserer Zeitreise auch mit seiner Stimme. Und es ging los mit Shinkicker, diesem röhrenden, harten

BoF Marcel Gerry Ted
BoF Marcel Gerry Ted

Bluesrocker, der längst in die  Bluesrock Walhalla eingefahren ist. Weiter ging es mit der Frage und der Antwort zum Thema Bluesrock: Wie sollte der Blues rocken? Genau so und nicht anders. Unsterbliche Kompositionen wie Bad Penny, Bought And Sold, Do You Read Me, The Last Of The Independence und der unvergleichliche, harte Bluesschleicher Off The Handle wurden uns vor die Tops und T-Shirts mit Rory Konterfei, Baumwollhemden und Jeansjacken geknallt. Und den dreien auf der Bühne machte es riesigen Spaß, auch mit anzugucken und anzuhören, was sie da vor der Bühne für ein Spektakel anrichteten. Und ich fand heraus, das ich fähig zum Multitasking bin: mitsingen, mit einer  Hand photographieren und mit der anderen Hand Beifall auf dem Oberschenkel klatschen. Was für eine Show! Und es fanden etliche Freudentränen den richtigen Weg durch meine Gesicht. Und bei der letzten Zugabe standen mir die wenigen Haare zu Berge, ich hatte Kippenvel – ich liebe diesen niederländischen Ausdruck für Gänsehaut – noch und nöcher, einen dicken Kloß unter dem Adamsapfel und……A Million Miles Away, mehr brauch ich nicht zu schreiben. Nach diesen großartigen, sehr eigenständigen, aber auch im Sinne von Tribut zollen, phantastischen Interpretationen der Musik von Rory Gallagher war ich erst mal alle, geschafft, ömm, 12 Points + from Germany.

Nun übernimmt Michael wieder:

Jan Brain
Jan Brain

Danke Volker, das mache ich in diesem Fall extrem gerne. Mystische und bewegende Momente der besonderen musikalischen Art hatte ich in diesem Jahr eine ganze Menge. Manchmal sind es die Momente, die sich entwickeln, manchmal einfach die Stimmung, die Dich fort treiben lässt. Am Samstag in Tegelen war es ein wenig anders, denn ich fuhr dort hin in dem festen Bewusstsein, einen meiner größten Helden aller Zeiten endlich live auf der Bühne zu sehen. Er ist in der Europäischen Musikszene sicher einer der größten Könner nd hat in den zurückliegenden Dekaden eher im Jazz gezeigt, wozu er fähig ist. Focus war und ist eine der tollsten Bands, die ich je in meinem Leben gehört habe und würde jederzeit auf die Knie fallen vor einem Musiker, der das Gesicht dieser Band zusammen mit Thijs van Leer so unfassbar virtuos und kreativ geprägt hat. Es ist die Rede von keinem Geringeren als Mijnheer Jan Akkerman, einer der größten Gitarristen aller Zeiten! Allein ihm zu huldigen war ein guter Grund, hierher zu kommen. Und ich wurde nicht enttäuscht! An diesem Abend war es sicherlich nicht Focus, die uns verzaubern wollten, sondern die Wiederbelebung des früheren Bandprojektes Brainbox. Man liest ja immer wahre Wunderdinge über den damaligen Sänger Kaz Lux, so musste die Band sich nach einem charismatischen und überzeugenden Sänger umschauen. Und Bert Heering erfüllte diesen Part. Ich hab ´ne Menge Fotos von seiner ausdrucksstarken Performance geschossen, aber der Herr der Rockmusik mag mir vergeben, diese 70 Minuten war meine Aufmerksamkeit in erster Linie auf einen Menschen gerichtet, den ich sehr verehre – auch wenn er sich ausdrucksstarken Bildern durch eine Kappe und eine Sonnenbrille ziemlich erfolgreich zu verwehren wusste. Dark Rose war der Opener, so wie wir es von der klassischen Brainbox-LP kennen, auch wenn der klassische Flötenpart diesmal vom Keyboard eingestreut wurde. Reason to believe ist genau so ein Klassiker. Nimmt man es wörtlich, dann ist Brainbox – oder My Brainbox – wie die wiederbelebte Truppe firmierte, keine klassische Bluesrockband. Es gibt Songs wie Baby, What You Want Me To Do, die diesem Thema entsprechen. Aber eigentlich fließen hier Einflüsse aus Jazz, Prog oder Kraut in die Kompositionen, ganz genau wie bei dem Nachfolgeprojekt Focus, welches dann endlich auch die nötige und hoch verdiente Anerkennung erwerben konnte. Aber das Herzstück von Brainbox ist und bleibt Sea Of Delight, eine mehr als zwanzig minütige Hymne auf die Hippiezeit. Was Jan Akkerman hier auf der Zwölfsaitigen veranstaltet, ist nichts anderes als Weltklasse. Psychedelisch abgefahrene Improvisation auf höchstem Niveau – darum bin ich gekommen und das hab ich bekommen. Nach diesem Paforceritt der Extraklasse war es für mich schon recht schwer, den Stimmungspegel aufrecht zu halten, ich hatte meinen persönlichen Höhepunkt mit diesem Song zwangsläufig erfahren. Aber sie gönnten mir trotzdem einen weiteren Kick, den ich eigentlich nicht erwartet hatte. Als Zugabe ertönte das einzigartige Hocus Posuc von Focus, mit jodelnden Holländern, wie Stefan Koglek unlängst in unserem Interview eher ein wenig erschreckt feststellte. Thijs van Leer ist in dieser Disziplin sicher unerreicht, aber Jan zeigte in dieser Powernummer noch einmal, warum er als einer der weltbesten Gitarristen gilt. Ein Traum ging für mich in Erfüllung! 12 Points from Germany.

Eddy
Eddy

Eine der für mich großartigsten Bluesrock Bands auf diesem Planeten, The Juke Joints aus den Niederlanden, bildeten als Begleitband einen würdigen Rahmen für ein Urgestein des Chicago Blues. Dieser veredelte als Gast auf dem 2011er  Album der „Master Of Rock Rollin` Blues“ den Titel „Going To Chicago“ mit seinem sehr scharfen Gitarrenton, die Schreibe ist von „Eddy `The Chief`Clearwater“. Dieses Package durfte ich schon einige Male live erleben….es waren phantastische Erlebnisse. Aus gesundheitlichen Gründen musste leider der Harper der Juke Joints, Sonny Boy van der Broek, seine Teilnahme bei diesem Auftritt absagen. Ersetzt wurde er durch seinen niederländischen Landsmann „Big Pete“, ein Harpspieler der Extraklasse, der vor einiger Zeit sein vielbeachtetes Album „Choice Cuts“ veröffentlichte. Er verfettete auf zurückhaltende Weise den Sound der Juke Joints. Und die Vier legten erst mal ohne Eddy los und rockten und rollten uns ohne Umschweife auf kürzestem Wege mit „This Is It“ in einen Bluesrock Freudentaumel. Danach betrat Eddy die Bühne, er wurde mit lautem Beifall begrüßt. Der 76 jährige ist ein Blues Entertainer vor dem Herrn, er reiste mit uns zur West Side von Chicago und die Juke Joints, Peter Kempe am Schlagzeug, Michel Staat an der Gitarre, Derk Korpershoek am Bass und Big Pete, waren famose Reisebegleiter. Eddy war sehr gut bei Stimme und shoutete rau und krächzend Songs aus seiner letzten CD „West Side Strut“ wie Hypnotized, They Call Me The Chief oder To Old To Get Married. Sehr scharfe Gitarrentöne in zweifacher Ausfertigung, eine Rhythmustruppe, die ohne Nachlass powerte, fette Harpeinlagen, was willste mehr! Die Meute vor der Bühne tobte, ich auch, was für ein Spaß. 12 + 12 Points from Germany.

Bevor wir zur letzten Band des Festivals noch was schreiben, möchte ich noch was anmerken. Und zwar den beeindruckend hohen Anteil an niederländischen Künstlern bei dieser 29. Auflage, Respekt.

Paladins
Paladins

Die Paladins krönten das Fest der bluesrockenden Töne mit ihrem bemerkenswerten Musikstil. Der wird grundiert mit Rockabilly und garniert mit Rock, Swing, Country, Blues, Jazz und Americana. Die drei Herren aus San Diego sind Dave Gonzales an der Gitarre, Thomas Yearsley am Upright Bass und Brian Fahey am Schlagzeug. Ich erlebte die Band heuer zum vierten Mal, es war wie immer, sie rockten sich und uns ihren Musikstil in die Seelen. Ihr Auftritt schnurrte wie ein 4,7 Liter V8 Motor in einem 1965er Ford Mustang, eine Initialzündung nach der anderen zündete von der Bühne. Und wie ist deine Meinung zum Auftritt der Paladins Michael?
Die Paladins gehören bislang nicht zu den Bands, die mich auf Silberlingen durch mein Leben begleiten – aber das wird sich ändern, da bin ich ganz sicher. Eigentlich war ich durch Volkers Erzählungen eher auf klassischen Rockabilly eingestellt, was nicht wirklich zu meinen Baustellen zählt. Aber das, was uns die schon recht gesetzten Herren da auf die Bühne gezaubert haben, hat mein Herz erreicht – und ganz sicher auch meine Beine. Dieser mitreißenden Musik konnte ich mich nicht entreißen und die immer wieder durchbrechende Nähe zum Texasrock der Marke Stevie Ray Vaughan fuhr mir durch alle Sinne bis tief in mein rhythmisches Zentrum. Eine Musik wie ein Soundtrack für einen Tarantino- oder Rodriguez-Film. Gepaart mit einer wahnsinnig starken Bühnenpräsenz – man muss sich nur mal anschauen, was der gute Thomas mit seinem Standbass alles anstellt – überzeugte mich diese Band total und setzte einem großartigen Event mit einem absolut stimmigen Line Up ohne jeden Schwachpunkt ein würdiges Ende, zum guten Abschluß auch 12 Points from Germany.

Der Abend klang gegen 22 Uhr 30 aus, es war wie immer ein lohnenswerter Besuch in Tegelen.. Großes Lob für alle Musikteilnehmer, Dank an die vorzüglichen Mitarbeiter an allen Ausschänken, sei es Bier, Coffie, Konsumptiebons oder Essen und Dank an die Veranstalter vom Büro Pinkpop für die Akkreditierung…..(Michael und Volker)

http://www.bluesrockfestival.nl/

http://www.thehandsomefellows.com/

http://www.mighty-ya-ya.com/

http://ganashake.com/band-2/

http://www.bandoffriends.eu/news#/splash-page/

http://www.thejukejoints.com/

http://www.eddyclearwater.com/

http://www.rockabilly.net/paladins/